Bericht No. 1
Liebe Leser.
Mein Name ist Otto Hazred. Ich bin ein Suchender, der die Wahrheit ergründen möchte. Auf meiner Suche quer durch die Welten des Internets offenbarten sich mir viele Geheimnisse, die sich kaum in Worte fassen lassen. Nun verfasse ich Berichte über die tausend Wunder und Schrecken, von denen ich Kenntnis erlangte. Seien Sie gewarnt, denn sie könnten an Ihrem Verstand zweifeln und Ihre Wertvorstellungen infrage stellen, sodass Ihre Welt in einem neuen Licht erscheint.
Kürzlich erreichten mich Berichte von einer Gruppe von Leuten, die sich den sogenannten Amiga Computern widmen. Das war eine Serie von Computern, die in den 80er und 90er Jahren produziert wurden und die damals als Grafikwunder galten. Eine hartgesottene Gemeinschaft von Enthusiasten hielt die Szene weiter am Leben, entwickelte neue Hardware und Software. Manche rüsteten ihre Computer sogar mit sogenannten Vampir-Karten aus, um den alten Geräten eine neue, unermessliche Leistungsfähigkeit zu verleihen. Was als harmloser Spaß anmutet, kann einen jedoch schnell in Gefilde führen, von deren schauerlicher Existenz nur wenige Eingeweihte wissen. Seit ich diesem Phänomen nachspüre, bekomme ich stetig neue Reporte, die mich in meiner Überzeugung bestätigen, dass hier etwas ungeheuerliches, schauderhaftes am Werke ist. Hier veröffentliche ich den ersten Bericht eines der zahlreichen Opfer dieses Kultes.
Seien sie nochmals gewarnt. Drehen sie sich auf ihrer Suche nicht um, denn sie wissen nicht, was hinter ihnen lauert. Und klicken sie niemals auf Ja, wenn es eine Option gibt, Nein zu wählen.
Lesen Sie nun vom Schicksal eines anonymen, 54 jährigen Mannes aus einer Großstadt, die ich aus Sicherheitsgründen nicht nennen will:
An einem sommerlichen Abend vertrieb ich meine Zeit als Frührentner mit einem Spaziergang. Ausnahmsweise ging ich andere Pfade als gewöhnlich. Irgendwie hatte es mich viele Jahre nicht in die Gegend gezogen. Ich weiß bis heute nicht, warum ich an jenem Abend diese alten und doch neuen Wege einschlug. Was mochte sich geändert haben? Was war beim alten geblieben?
Der Duft von Blüten mischte sich im Vorübergehen mit dem Geruch eines Dönerladens. Tabakrauch lag in der Luft. In der Ferne spielten ein paar Kinder. Die vielen Jahre, in denen ich hier nicht entlang gegangen war, hatten meine Erinnerung verblassen lassen. Es war seltsam, wie bekannt und doch irgendwie auch fremd, die Umgebung wirkte. Eine kleine Gasse zu meiner Linken gab mir Rätsel auf. Hatte ich sie schon einmal bemerkt? Ach ja, hier sollte der alte Elektro Laden sein. Ein Mann namens Schrader betrieb den schon seid Ewigkeiten. Mein Vater hatte einen TV-Laden und erwähnte den entfernten Bekannten ab und zu. Ich selbst hatte Herrn Schrader nur ein paar Mal gesehen und das war lange her. Eigentlich konnte er nicht mehr im Geschäft sein, denn er war damals schon ein sehr alter Mann.
Richtig, hier ging es lang.. Ich war gespannt, ob es den Laden noch gab. Und was sich gegebenenfalls im Schaufenster befand.
Nach zwei Minuten erreichte ich den Laden. „Elektro Schrader“ prangte es auf dem Ladenschild über dem Fenster. Das Schild war erleuchtet. Der Laden hatte sicher schon bessere Jahre gesehen. Ein paar günstig wirkende Radio-Wecker und Ventilatoren standen in einem Regal im Inneren des Geschäftes. Lampen, Staubsauger und andere Elektrogeräte komplettierten den Warenbestand. Ein kleiner Tresen mit einem Eingang zu einem Hinterzimmer war durch die Scheibe zu sehen. Hinter der Kasse waren ebenfalls Stellflächen angebracht, die Batterien, Kabel, Steckdosenverlängerungen und Glühlampen enthielten. Im Schaufenster stand eine kleine Glaskugel bzw. ein Vieleck aus Glas, dessen Flächen bunt glitzerten. „Ein eigenartiges Dekorationsstück“, dachte ich und.dann sah ich dort den kleinen Röhrenmonitor mit einem schwarzen Kasten davor. Jetzt war mein Interesse geweckt, denn ich war ein glühender Fan von Heimcomputern gewesen. Das ging bis in meine Studentenzeit, als sich meine Interessen dann doch verlagerten. Was mochte das für ein Modell sein? Ich trat näher, um mir das Typenschild anzusehen. „Amiga 500 HPL“ war dort in blutroter Schrift zu lesen. Ich schmunzelte, weil mir alle Amiga-Modelle geläufig waren und es nie eine Amiga 500 HPL Edition gab. Da war wohl ein launiger Fan am Werk gewesen. Was der wohl gespielt hatte? Das ließ sich herausfinden, denn eine Box mit schwarzen Disketten stand daneben. Einige Disketten waren auch lose ausgelegt. Die weißen Label waren mit einem rotem Stift beschriftet. Titel wie „Speedball 2“, „It Came from the Desert“ und „Defender of the Crown“ weckten in mir das warme, wohlige Gefühl, dass ich hatte, wenn wir mit Freunden gemeinsam vor dem kleinen Bildschirm saßen. Wir hatten Nächte lang durchgezockt und vergnügten uns mit Cola, Chips und etwas Gras.
Wie bitte? Das Gerät samt Bildschirm und Disketten sollte nur 69,- Euro kosten? Ehe ich mich versah, hatte ich bereits den Laden betreten. Als ich eintrat, vermeldete eine Klingel meckernd meine Ankunft. Ich hörte aus den hinteren Räumen so etwas wie „Ja,ja“ und jemand kam langsam um die Ecke geschlürft. Es war der alte Schrader. Meine Güte. Er war tatsächlich noch im Geschäft. Sein Haar war schlohweiß, naturgelockt und etwas länger. Er hatte einen wuscheligen Schnurrbart und trug eine graue Strickjacke. Eine runde Brille zierte seine Nase. Ich stockte, denn er wirkte um keinen Tag älter, als damals bei unserer letzten Begegnung zu meiner Teenager-Zeit. Langsam ging er auf seinen Birkenstockschuhen in den Laden und lächelte.
„Guten Tag. Wir haben eigentlich schon zu“, sagte er in einem leisen und warmen Ton.
„Em, ich schaue nur mal rein. War schon ewig nicht mehr hier.“, antwortete ich.
„Na, dann. Interessiert Sie etwas bestimmtes?“ fragte der alte Schrader und sah mich verschmitzt an.
„Nun, ich interessiere mich für den Amiga im Schaufenster“, antwortete ich und deutete auf den Homecomputer in der Auslage.“
Der alte Schrader zögerte seltsam und blickte unsicher. Unmerklich trat er einen Schritt zurück.
„Ach, der. Der ist nur ein Dekostück. Den wollen wir nicht verkaufen.“, murmelte er.
Ich war leicht frustriert, sah ich mich doch schon am Abend zu Haus vor dem Amiga 500 eingemummelt in eine Decke, um bei einer Tasse Tee den alten Spaß neu aufleben zu lassen.
„Aber warum ist er dann mit einem Preis ausgezeichnet?“, protestierte ich.
„Ja, ja“, knurrte der alte Schrader.
„Er gehört nicht mir. Dass kann ich nicht entscheiden.“
Dabei konnte ich es nicht belassen und fuhr fort: „Sehen sie mal, wenn derjenige ihn mit einem Preis auszeichnet, möchte er doch, dass der Amiga einen neuen Besitzer findet.“
Der alte Schrader zauderte noch einige Zeit herum, bis er nicht mehr aus wusste.
„Ach,schon recht. Ich werde mal fragen“, sagte der Alte und begab sich ins Hinterzimmer.
Es dauerte eine Weile, dann hörte ich ein Poltern. Dann ein paar Stimmen, die sich eigenartig anhörten. Eine Menschenstimme unterhielt sich mit einer Art von Zwitschern und Stammeln. Grunzen und Klicken. Was war denn da los? Spann ich? Konnte das sein? Ach, sicher nicht. Da hatte der Kompagnon von Herrn Schrader bestimmt nur eine Erkältung und ich war mal wieder zu feinfühlig.
Nach ein paar Minuten kam der Elektrohändler mit einem verdrossenem Gesicht zurück in den Laden. „Na schön, sie können ihn haben“, sagte er mit einem Unmut, den ich nicht nachvollziehen konnte. Nach dem soeben gehörten Gespräch war mir etwas unwohl. Aber die gute Nachricht ließ meine Fantasterei schnell wieder in meinem Unterbewusstsein versinken.
Ich bezahlte die 69,- Euro und verließ das Geschäft. Für den Monitor hatte sich noch ein Karton gefunden und den Amiga 500 HPL und die Disketten-Box packte ich oben drauf. Schwer beladen machte ich mich auf den Weg. Da ereignete sich etwas, dass mein Leben in eine Bahn warf, die ich sicher nicht vorhergesehen hatte. Es waren nur Sekunden in denen ich mich vollgepackt noch einmal glücklich umwandte und in den Laden zurück sah. Hätte ich es nur nicht getan. Denn das was ich sah, versetzte mich in Grauen. Für einen kurzen Augenblick trat ein Mann, von dem ich annahm, dass er der Gesprächspartner des alten Schrader gewesen war, in die Hinterzimmertür des Ladens und sah mich bohrend an. Meine Güte. Was war das für ein Mensch. Ich lebte in einer Großstadt und war vieles gewohnt. Aber so jemanden hatte ich noch nie gesehen. Der Mann hatte einen kleinen, gedrungenen Körper, auf dem ein langer, sehr dünner Kopf saß, der mit riesigen, gläsernen, wässerigen Augen ausgestattet war. Seine Lippen waren unnatürlich aufgebläht. Und sein Hals war mit einer fischartigen Schuppenflechte bewuchert. Sein Schädel war kahl und seine Augenbrauen kaum ausgebildet. Er trug eine Art Umhang.Sein Hals schien zu pulsieren, als sein Blick mich durchbohrte. Vor Schreck ließ ich fast meine kostbare Beute fallen. Es bedurfte eines kleinen Balance-Aktes, um meinen wertvollen Fang zu sichern. Und schon war der Spuk vorüber. Ich musste mich nicht ganz wohl befinden. Schon zweimal so eine Attacke. Erst das Gemurmel. Jetzt dieser Kerl. Aber das war sicher nichts, was eine Tasse Tee mit einer Runde Speedball 2 nicht kurieren konnte.
Als ich nach Hause ging, mischte sich auf den ersten Metern ein Fischgeruch unter die vielen Geruchseindrücke, die sich mir auf dem Hinweg vermittelt hatten. Das war ziemlich untypisch für eine Gegend, in der es nur einen Dönerladen gab. Als ich glücklich und etwas erschöpft zu Hause ankam, entspannte ich erst mal, um dann den Amiga 500 HPL samt Monitor auf meinem Wohnzimmertisch aufzubauen. Jetzt konnte es losgehen. Mit einer Decke und Tee bewaffnet, stürzte ich mich in die Spielewelt von damals. Der Abend verging wie im Flug. Spiele wie Xenon II, Secret of Monkey Island und Populous nahmen mich gefangen. War das ein Spaß. Mein Blick wurde immer mehr zum Tunnel und fast Nebel-umflort genoss ich die alten Titel. Die eingängigen Tunes ließen mein Herz höher schlagen und Erinnerungen an frühere Tage erwachten in mir zum Leben. Die Bilderpracht rauschte an mir vorbei und ich vergaß schnell den Lauf der Technik und den Zahn der Zeit, der an dem Gerät genagt hatte. Ich wusste nicht wie spät es war, als ich wieder in die Diskettenbox griff, um das nächste Spiel anzusehen. Die blutrote Aufschrift auf dem Etikett war in verlaufener Farbe verfasst. „Escape from R'lyeh“ stand auf dem weißen Label. „Schon eigenartig“, dachte ich.
Ich schob die Diskette in den Laufwerkschacht. Ein weißer Hintergrund mit einer stilisierten Hand im Vordergrund erschien auf dem Bildschirm. Die Hand hielt eine Diskette. Kickstart V1.666 stand dort auf dem Schirm. Es schauderte mich etwas, denn es gab nie eine Kickstart V1.666. Und gleich wurden Assoziationen an etwas teuflischem, unheilvollem in mir wach. 666 – Die Zahl des Teufels. Welch düsteres Geheimnis mochte der Quellcode dieser Startsoftware wohl in sich bergen? Mit einem sägenden, schreddernden Geräusch nahm das Laufwerk seinen Dienst auf. Der Bildschirm flackerte abwechselnd rot und schwarz. Ein gewaltiges Getöse bahnte sich den Weg durch die Lautsprecher. „Escape from R'lyeh“, konnte man in großen Lettern auf dem Bildschirm lesen. Eine Notiz erschien auf dem Bildschirm. Achtung! Dieses Spiel verändert Deine Zukunft. Betreten nur auf eigene Gefahr! Die Optionen Ja und Nein standen zur Auswahl. Sie, lieber Leser, ahnen es sicher, welche Wahl ich traf. Ich drückte auf Ja. Was gab es schon zu verlieren?
Dunkle Wirbel wuchsen aus dem Bildschirm und formten sich allmählich zu Ranken, die sich geradezu aus dem Bildschirm heraus zu winden schienen. Die Plastizität der Animation auf dem Bildschirm ließ sich kaum überbieten. Aus dem Dunklen erschien eine Gatter-Tür, die durch eine Mauer führte, welche aus groben, quaderförmigen Steinen errichtet war. Ich schritt auf die Tür zu und öffnete sie per Mausklick. Die alte Tür knarrte ächzend, als ob sie seit langer Zeit nicht mehr bewegt wurde. Ein Weg in ein Gewölbe öffnete sich vor mir. An der Wand war eine Fackel angebracht, derer ich mich bemächtigte. War das eine Grafik. So was hatte man auf einem Amiga noch nicht gesehen, Vollkommen 3-Dimensional, mit Nebeln, Lichtern, Schatten und Reflexionen. Das konnte doch nicht sein. Nicht so eine Leistung. Nicht aus so einem kleinen Kästchen von anno dazumal. Ich war fasziniert. Langsam bewegte ich mich durch die finsteren Gänge und Nebel stieg hoch. Ein leichter Wind wehte durch die Gemäuer. Nur beiläufig bemerkte ich, dass das Wetter draußen ungemütlicher wurde. Auch hier, in der Realität, kam Wind auf und strich polternd an meinem Fenster vorbei. Das kümmerte mich nicht. Ich war drin und das Wetter draußen. Die Gegend, durch die ich im Spiel schritt, wurde unheimlicher. Schleimige Wurzeln rankten auf dem Boden und ich musste über sie hinweg steigen. Ich wusste nicht mehr, ob der Wind im Spiel so laut heulte, oder der Wind vor meiner Türe. Ich und das Spiel wurden immer mehr eins. An den Wänden glänzte ein glibberiger Schleim. Vernahm ich jetzt ein Knarren von den Bäumen draußen, oder vom Spiel her?
Die Steine in dem mich umgebenden Gemäuer wurden vom Licht meiner Fackel flackernd beleuchtet. Überall waren Schatten. Es säuselte und zischte in den Ecken. Waren da Gesichter in den Steinen? „Ach, was“, dachte ich, „Und wenn schon, ist doch spannend. Ist ja nur ein Spiel.“
Ich vertiefte mich immer mehr ins Geschehen. Die Umgebung entschwand nach und nach meinen Sinnen.
Jetzt wurde es doch ungemütlich. Der Wind heulte und drückte an meine Fensterscheibe. Leider zieht es in meiner Wohnung und wenn es zu sehr stürmt, kann es vorkommen, dass meine Stubentür klappert und schlägt. So auch dieses Mal. In einer kurzen Welle riss mich das Klappern der Tür aus meiner kleinen Welt. Das dauerte jedoch nicht lang an und ich versank umso tiefer in meinen Spielfluss.
Klaustrophobie erregende, enge Gänge. Gesichter an den Wänden. Ich erhöhte mein Schritttempo und suche nach einem Ausgang. Was sollte das für ein Spiel sein? Aus irgendeinem Grund musste ich fast hysterisch kichern. Das konnte doch alles nicht sein. Die Grafikpracht, das Maß, in dem mich das Spiel in seine Welt zog. Die merkwürdige Betriebssystem Version. Und nicht zuletzt der seltsame Kerl im Laden von Herrn Schrader, dessen schreckliches Antlitz immer wieder vor meinen Augen auftauchte. Warum war der alte Mann überhaupt noch im Geschäft? Er musste schon längst in Rente oder tot sein.
Allmählich wurden die Räume größer. Feuer, die in Feuerschalen loderten, waren entlang der Wände verteilt. Deshalb konnte ich mich meiner Fackel entledigen.
Immer wieder hörte ich ein Zischen und Knistern. Ein Rauschen. Und dann befremdlichen Stimmen und Laute.
War das ein Schreck, denn die Geräusche aus den Lautsprechern hörten sich genauso an, wie unheilvollen Töne, die ich im Elektroladen von Herrn Schrader vernahm. Wie konnte das sein? Es waren genau die gleichen Geräusche und Stimmen.
Zuerst machte mir das Wetter nichts aus, aber zusammen mit der immer unheimlicher werdenden Stimmung im Spiel kam ein Horror-Gefühl bei mir auf. Der Wind heulte draußen, als ob fremde Wesen an meiner Fensterscheibe vorbei zögen und ihr fauchendes Staccato von sich gaben. Die Gänge im Spiel wurden immer weiter und in der Ferne leuchtete ein blaues Licht. Ich ging auf das Leuchten zu, denn ich wollte dem Sinn dieses rätselhaften Spiels auf den Grund gehen.
Im gleichen Maße, in dem ich auf das ferne Licht zuschritt, wurden die Stimmen lauter. Sorgen-erfüllt blickte ich mich um. Konnte ich die Quelle der Stimmen ausmachen? Mir wurde zunehmend unwohl, da die näher kommenden Laute etwas unheimliches, abstoßendes, gefährliches an sich hatten. Ein banges Gefühl befiel mich. Zu meiner Rechten sah ich eine dunkle Nische. Aus einem Reflex heraus warf ich mich in die dunkle Ausbuchtung, um mich den herannahenden Lauten zu entziehen. Fast wäre es zu spät gewesen, denn die Stimmen näherten sich viel schneller, als ich erwartet hatte. Als sie vorüber zogen stand mir der blanke Angstschweiß auf der Stirn. Meine Nacken-Haare richteten sich auf. Ich musste mir die Hand aufs Gesicht pressen, um mich nicht wie ein kleines Kind beim Versteck spielen durch meine Atemgeräusche zu verraten. Und wieder dieses Grunzen, Quaken, Zischen, Stammeln und Klicken.
Ich konnte die Spannung kaum aushalten und wollte laut aufschreien: „Kommt doch her, Ihr Monster aus einem Alptraum-haften Spiel. Ihr könnt mir nichts. Ihr seid nur Fantasiegebilde. Antagonisten in einer fiktiven Welt.“ Aber ich blieb still. Das Grauen hatte mich zu sehr gepackt. Nur schemenhaft konnte ich die vorbeiziehenden Kreaturen erkennen. Einige von Ihnen waren die gleichen, grauenvollen Fischmenschen, wie ich einen davon in Schraders Laden sah. Ein unerträglicher Fischgestank erfüllte die Umgebung, als ein wildes Sammelsurium von Fischmenschen, Froschwesen, zweibeinigen Kopffüßlern und Mantis-artigen Geschöpfen.vor mir seine scheußliche, widernatürliche, abstoßende Parade abhielt. Die Grauen erregenden Geschöpfe glitten, waberten, hüpften, krochen, zwitscherten, stammelten und blähten an mir vorbei, dass es mich zu tiefst erschütterte. Der Gestank ließ mich fast ohnmächtig werden. Spann ich? Wie konnte ich etwas riechen, da der Gestank nur im Spiel existierte?
Nachdem sich der Schrecken bis auf Weiteres gelichtet hatte, blieb ich noch eine weile zu Tode erschrocken in meinem Versteck stehen. Das war mir doch alles zu viel. Nachdem ich mich etwas gesammelt hatte, wollte ich langsam vortreten.
Da schlug meine Wohnzimmertür, unter Einfluss einer heftigen Böe, kräftig in ihren Angeln.
Drei Mal. Bang! Bang! Bang! In einer Lautstärke, die mich durch ihre überraschend heftige Brutalität direkt beleidigte. Wenn da nicht was kaputt gegangen war. Und wieder Bang! Bang! Bang! Ein panisches Gefühl erfasste mich, denn beim letzten Male war keine Böe in der Luft. Das war zu viel. Ich wollte erst mal eine Pause einlegen. Einfach nur, den. Ausschalter betätigen und ...
Moment. Konnte das sein? Ich stand in einer Nische in einem Gang, der mich auf ein blaues Licht zu führte und nicht mehr bei mir zu Haus. Neeiiiiiin! Nein, nein. Das konnte nicht real sein. Hatte es mich endgültig erwischt? War ich durchgeknallt? Meine Fantasie musste mir tausend Streiche spielen. Ich schlug in die Luft, Kniff mich, Rang mit meinen eigenen Armen, um den Klauen dieses vermeintlichen Alps zu entkommen. Nichts half. Ich war in den dunklen Hallen gefangen. Zusammen mit diesen höllischen Kreaturen. Einsam und verlassen. Verraten und verkauft. Verfluchter Schrader! Alles schien sich kurz zu drehen. Oh weh. Das war ein Paradigmenwechsel. Alles war wahr. Die grauenvollen Monster, die seltsame Umwelt und immer wieder der Schuppen-überwucherte Kerl aus Schraders Laden vor meinen Augen. Und nun befand ich mich anscheinend in jenem finsteren Abgrund aus dem diese Kreatur entwichen war.
Aber dann fing ich mich. Ich musste zu dem Licht. Dort musste der Ausgang sein. Das war alles. Nur auf das Licht zu. Ich ging weiter. Immer wieder schaute ich mich um. Lauschte in die Gänge und Hallen, die sich vor mir auf meinem Weg auftaten. Ich kam in eine weitläufige Halle, die durch gigantische Säulen abgestützt wurde. Statuen von unfassbaren Scheußlichkeiten säumten meinen Weg. Wesen mit Insektenkörpern und Menschenköpfen, Drachenmonster mit Flügeln und Tintenfischtentakeln in ihren Gesichtern. Einäugige Fischmonster mit Dreizacken in der Hand. Geflügelte Menschenwesen mit Pferdekörpern.
Und wieder hörte ich das Rumoren der grauenhaften Gestalten. Ich ging, ging schneller, begann zu laufen. Meine Beine wirbelten über den Boden, wie es nur die Beine eines zu Tode Gehetzten vermögen. Waren sie schon hinter mir? Da rechts, in der sonst so überbordend ausgestalteten Halle war eine einfache, stählerne, weiße Tür eingelassen. Sie wirkte wie der Hintereingang eines gewöhnlichen Ladengeschäftes. Ich rannte zur Tür und stürmte hinein. Sie war nicht verschlossen. Als ich in dem dahinterliegenden Raum kräftig die Tür zuwarf, polterte es in einer unerhörten Art und Weise. Ich sah mich um und befand mich in der Tat im Hinterzimmer eines Ladenlokals. War das nicht das Geschäft des alten Schrader; nur aus einer anderen Perspektive? Von den Monstren hinter mir gab es jedenfalls kein Anzeichen mehr. Kein Ton. Nichts. Und wer stand da vor mir?
Der alte Schrader. Ach nein. Der Mann, dem ich dies alles zu verdanken hatte. Ich war erbost, doch noch bevor ich meiner Empörung Ausdruck verleihen konnte, erhob der alte Elektrohändler das Wort. „Sie haben es so gewollt, denn sie haben auf Ja geklickt.“,sagte er in einem bestimmten Ton.
Diese Aussage traf mich wie ein stumpfer Hammer auf den Kopf. Vollkommen konsterniert, wortlos, vom Todesschweiß durchnässt und zu Tode erschrocken stand ich dort, Ich war wütend und doch gelähmt ob meiner Erlebnisse in den grauenvollen Hallen.
Dennoch hatte der Alte de Facto recht. Ich hatte auf Ja gedrückt. Nur war das Erlebte dann doch eindringlicher ausgefallen, als ich es mir je erträumt hätte.
„Das. Das kann nicht wahr sein“, stammelte ich.
Der alte Mann lächelte. „Hab ich es doch gewusst, dass ich sie hier treffen würde. Bei manchen weiß man es. Und bei Ihnen wusste ich es. Sie mussten hier her kommen.“
„Aber wo bin ich? Was ist das hier für ein grauenhafter Ort?“ , fragte ich, immer noch an mir Selbst und der mich umgebenden Realität zweifelnd.
„Sie sind in R'lyeh. Der Stadt, in der der Schläfer träumt.“
Ich fuhr ihn an. „Das sind doch nur Erzählungen aus Schauerromanen. Das ist doch alles nicht echt. Das ist doch alles nicht wahr“, rief ich zornig.
„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.“, sagte der alte Schrader in einem tiefgründigen Ton.
„Wir“, betonte ich, „Sind hier in einem Spiel.“, sagte ich und versuchte meine Realität gerade zu rücken.
„Das ist kein Spiel. Das ist die Realität“, sagte der Alte.
Das konnte nicht sein. Sollte alles was ich wusste ein Trugbild sein? Und sollte dieser absurde Ort die Wirklichkeit sein? Das konnte ich nicht akzeptieren.
„Das alles hier spricht gegen die Vernunft. Also ist dies nicht die Realität“, stellte fest.
„Wie sie meinen“, begnügte sich Schrader recht einsilbig.
„Was immer es ist. Ich will hier raus“, forderte ich.
Der alte Schrader zog die rechte Augenbraue hoch. „Wollen sie das Wirklich? Warum haben sie dann auf Ja gedrückt?“, fragte er und blickte mir tief in die Augen. Der Alte wirkte enttäuscht.
„Aber ich wusste doch nicht um die Konsequenzen. Ich will nur hier raus“, sagte ich einem bittenden Ton.
„Wie sie es wünschen. Aber seien sie gewarnt, der Weg wird gefährlich und der Preis wird hoch sein..“, mahnte Schrader.
„Alles, alles. Nur hier raus“, bat ich.
Der alte Mann sah mich mitleidsvoll an.
„Schade. Sie hätten einer von uns werden können.“,sagte der
Alte mit einem Bedauern in der Stimme.
„Hier nehmen sie das. Das wird sie vorm kompletten Wahnsinn schützen.“, sagte der Alte mit einer Überzeugung, die mir irgendwie Mut verlieh.
Er reichte mir eine Münze, die auf der einen Seite mit einem Pentagramm und auf der anderen mit dem Kopf eines Tintenfischwesens geprägt war.
Wortlos nahm ich den Talisman an mich und verstaute ihn in meiner Tasche.
Schrader geleitete mich vorn zum Laden hinaus. Der Ausgang führte jedoch nicht in die kleine Gasse in der ich das Geschäft verortet hatte. Vielmehr brachte mich die Ladentür zurück in die schreckliche Halle, aus der ich gekommen war. Vom Tumult der mich verfolgenden Ungeheuer war jedoch keine Spur mehr zu vernehmen.
„Gehen sie. Und gehen sie immer links herum.“, riet mir der alte Schrader.
Ich bedanke mich und nahm Abschied.
„Eilen sie! Drehen sie sich nicht um. Nicht vergessen, immer links herum. Und seien sie auf der Hut, denn der Schläfer erwacht.“, gab mir der alte Mann als letzte Mahnung mit auf den Weg.
Ich folgte dem Rat und ging ohne mich umzusehen. Wenn ich aber immer links herum ginge, liefe ich dann nicht im Kreis? „Sei es drum. Hier gelten andere Gesetze“, dachte ich und machte mich forschen Schrittes auf den Weg. Voran zum blauen Licht, dass immer näher zu kommen schien. In der Ferne baute sich mit der Zeit ein riesiger Schatten hinter dem Leuchten auf. Ich ging zügig, denn ich wusste, dass ich hier nicht allein war. Konnten doch jederzeit die schrecklichen Wesen wieder auftauchen. Wann immer es eine Weggabelung gab, folgte ich dem Weg zu meiner Linken. Das Licht kam immer näher und auch der Schatten wurde immer größer. Er begann Konturen anzunehmen. Allmählich ähnelte das Dunkel in der Ferne einem Kopf samt Rumpf. War das eine Statue, oder eines dieser schrecklichen Geschöpfe? Falls es ein Wesen war, musste es gigantisch sein. Ich schritt immer weiter voran.und der blaue Schein wurde immer intensiver. Bald wurde die Halle vom Schein des Lichtes erleuchtet und verlieh ihr ein unnatürliches Erscheinungsbild. Die Umgebung mit ihren Säulen und den Statuen dieser schrecklichen Wesen war grauenvoll anzusehen und wirkte fast belebt. Überall flackerten Lichter und die Schatten vollführten ihre unheimlichen Tänze. Dann hörte ich wieder dieses Zischen und Knistern. „Schnell weg“, dachte ich. Ich musste mich anstrengen, um nicht vor dem kolossalen Schatten zu verweigern. Aber hier sah ich die einzige Hoffnung auf Wiederkehr in meine alten Gefilde.
Wie gegen einen inneren Widerstand, bewegte ich mich voran. Der Schatten bekam nun deutliche Umrisse. Der Gigant hatte einen Drachenkörper mit rudimentären Flügeln. Sein Kopf war von gewaltiger Größe und wurde von Tintenfischtentakeln wie von einem Bart umkränzt. Das war doch das selbe seltsame Wesen, dessen Kopf auf die Münze geprägt war, die ich vom alten Schrader erhielt. So sehr es mir widerstrebte, mich dem Riesen zu nähern, um so mehr wusste ich, dass dies der Weg zum Ausgang aus diesen Gewölben sein musste. Ich schritt immer weiter voran. Das blaue Licht schien nun so hell, dass ich meine Augen mit meiner Hand schützen musste, um noch genügend sehen zu können. Ein fauliger, stinkiger Hauch wehte mir entgegen, als wenn hundert Leichenkammern ihre Tore geöffnet hätten. Der Wind wehte heftig. Hörte ich da in der Ferne etwas klappern und schlagen? Ich konnte nichts sehen. Also wandte ich mich wieder dem Riesen zu. Bei dem Koloss handelte es sich eindeutig um ein Lebewesen. Sitzend ruhte es und schlief. Seine Augenlider waren geschlossen und sein Atem ging ruhig und regelmäßig. Jeder Atemzug jedoch erfüllte die Halle mit jenem unbeschreiblichen Pesthauch, der überall wahrzunehmen war.
„Seien sie auf der Hut, denn der Schläfer erwacht.“, hatte mich der alte Schrader gewarnt. Ich mochte mir kaum ausmalen, was passieren würde, wenn dies in dem Moment der Fall gewesen wäre. In der Ferne hörte ich die unbeschreiblichen, unfassbaren Geräusche der widerlichen Gestalten, die mich verfolgt hatten. Was passierte, wenn die Ungeheuer den Riesen aufweckten? Ich musste weiter auf das unbeschreibliche Wesen zu gehen, denn dort entsprang das blaue Leuchten, auf das ich all meine Hoffnungen gesetzt hatte. Nun befand ich mich bald in unmittelbarer Nähe des Giganten. Deutlich konnte ich seine schuppige Haut erkennen, die an ein großes Reptil erinnerte. Der ganze Körper war mit großen, grau-grünen Schuppen gepanzert. Der Riese hatte gewaltige Klauen, die sich sanft zusammen zu ziehen schienen. Die Tentakel-Fortsätze unter seiner Nase waberten bei jedem Atemzug. Beim Ausatmen strömte ein übler Schwall seines grauenvollen Odems über mich. Es bedurfte einiger Überwindung, um weiter auf das das blaue Licht zu zugehen. Derweilen hatten sich die Monster weiter genähert und bei mir kam Hektik auf. „Nur nicht den Riesen wecken“, hoffte ich und kam endlich dem leuchtenden, blauen Schein auf die Spur.
Eine gewaltige, schwebende Glasscheibe tat sich vor mir auf und sie war so ausgerichtet, als wenn das riesige Wesen in deren Richtung blickte. Die Scheibe leuchtete in einem inneren Rechteck dunkelblau und die Außenseiten waren in einem sehr zarten Violett erleuchtet. Vier Sterne waren oben auf der erleuchteten Glasfläche sichtbar. Dann folgte eine kantige Schrift. „ R'lyeh 64 Basic“, stand dort zu lesen. Dann waren dort wieder 4 Sterne abgebildet. In der nächsten Zeit stand:“64ex RAM SYSTEM 30ex BASIC BYTES FREE“. Dann folgte eine Leerzeile und man las: „Ready.“ Ein blinkendes, invertiertes Leerzeichen darunter schien eine Eingabe zu erwarten. Konnte das mein Weg nach draußen sein? Ich schaute mich um und fand alsbald eine Brotkasten-förmige Tastatur, die auf einem Podest stand. Nebel waberte um den gewundenen Betonsockel des Podestes herum. Ich begab mich an die Tastatur und versuchte ein paar Eingaben. Tatsächlich spiegelten sich meine Tastatureingaben auf der großen, erleuchteten Scheibe wider, die dem Riesen vielleicht als Teleschirm gedient hatte. Aber was sollte ich tippen? Ich überlegte, welche Befehle mir von Nutzen sein konnten. Der Versuch ein mögliches Programm aufzulisten scheiterte. Ebenso gelang es mir nicht, ein Verzeichnis zu suchen. Einen Break oder ein Stopp zu setzen. Nichts half. Ich fühlte mich verzweifelt und umringt von den lauernden Gefahren. Und jeder falsche Befehl, den ich eingab, erzeugte ein quäkendes, lautes Fehlergeräusch, dass mich jedes mal zusammenfahren ließ und ich hoffte, den Schläfer nicht zu erwecken. Ich versuchte alles, was mein amateurhaftes Computerwissen hergab. Es schien hoffnungslos. Nichts klappte.Hatten sich die Augenlider des Riesen bewegt? Seine Mundwinkel schienen etwas zu zucken. Ich war total erschöpft und wusste nicht mehr ein oder aus. Das Grauen schien sich mir von allen Seiten langsam aber sicher zu nähern. Ich hatte praktisch resigniert. Ein Fieber kam in mir auf und ich lachte. Ich lachte ohne Grund und in einem schauerlichen Ton. Alles war nur noch wirr und meine Wahrnehmung hatte deutlich gelitten. Die gesamte Umgebung war ein reines Zerrbild. Ebenso war es um mein Urteilsvermögen nicht mehr gut bestellt. Wieder hörte ich das Geräusch von einem Klappern und Schlagen. Ich schaute mich nochmal um. Auf dem Podest Befand sich ebenfalls ein Diskettenlaufwerk. Darauf lag eine Diskette. „Bericht No. 1“ stand darauf in einer Weise geschrieben, die mich von der Handschrift her an die Disketten auf meinem Wohnzimmertisch erinnerte,. Das musste es sein. Fieberhaft griff ich die Diskette und legte sie ein. Sie war leer. Was sollte ich tun? Des Programmierens war ich nicht mächtig. Und wie sollte überhaupt so ein Skript aussehen, das mich aus dieser verzweifelten Lage brachte? Ich konnte nicht mehr. Willenlos ließ ich die Schultern sinken. Meine Gedanken gingen allmählich in die Irre. Wenn ich hier schon untergehen sollte, dann wollte ich wenigstens ein Zeugnis von dem mir ergangenen Schicksal ablegen. Auch wenn ich durchaus um die Unwahrscheinlichkeit wusste, dass jemand meinen Bericht lesen würde. Falls Sie diese Zeilen trotzdem lesen, war mein Mühe nicht umsonst und jemand wird Kenntnis von meinen Erlebnissen erlangen, denn dies ist der Bericht, den Sie soeben lesen.
Nachtrag:
So endete mein Report der vergangenen Ereignisse. Zeile für Zeile gab ich ihn in den Computer ein. Darauf folgte der Befahl „save „Bericht No1.txt“. Der Druck auf die Eingabetaste wurde diesmal nicht mit einer Fehlermeldung quittiert. Es war „Ready.“ auf dem Schirm zu lesen. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis der Diskette ergab, dass der Bericht tatsächlich abgespeichert wurde. Als ich fertig war, nahm ich die Diskette und setzte mich auf den Boden. Ich war zu erschöpft, um noch weiteres zu tun. Dann sank ich um und begab mich in eine Embryonal-Stellung. Sollten sie kommen, die Monster. Es gab keinen Ausweg mehr.
Bang! Bang! Bang! Schlug meine Stubentür. Und wieder Bang!Bang!Bang! Alles drehte sich. Mir war speiübel. Vor meinen Augen wurde es erst dunkel und wieder strahlend hell. Meine Güte. Ich war wieder da. Zu Hause. Saß vor meinem Stubentisch und ein ganz normaler weiß-beiger Amiga 500 stand vor mir. Sein Laufwerk klickte leise vor sich hin. Der Bildschirm war schwarz, aber erleuchtet. Oben war ein roter Kasten zu sehen. Das Feld blinkte auf und ab. „Software Failure. Press left mouse button to continue.“, stand auf dem Bildschirm. Darunter konnte man lesen:“Guru Meditation 00000007.0000666“. Jetzt bemerkte ich das ich eine Diskette in der Hand hielt. „Bericht No.1“ stand in roter Schrift auf dem Label. Es handelte sich nicht um meine Handschrift, sondern es war die Schrift, mit der die anderen Disketten beschriftet waren. Mir war so übel das ich die Diskette fallen ließ und mich sofort ins Bad begab. Mit einem breiten Strahl, einer tief grünen Flüssigkeit musste ich mich in die Toilette übergeben. Danach stieß ich heftig auf und eine grüne Wolke entflog mir. Ich fühlte mich extrem schwach, Mit einem Mal bemerkte ich, dass meine Haut runzelig geworden war. Ich schleppte mich regelrecht zum Spiegel, als ich voller Schauder zurück schrak. Mein Haar war so weiß wie das Haar des alten Schrader geworden. Mein Gesicht war eingefallen. Zitterig tastete ich über meine Wangen, War das ein Schrecken. Hatte ich den Verstand verloren und war nun körperlich und geistig total ruiniert? Halb kroch ich und halb ging ich ins Wohnzimmer. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass zwei ganze Tage vergangen waren. In diesen zwei Tagen war ich vom rüstigen Frührentner zum Greis geworden. Was für ein schrecklicher Preis, den ich gezahlt hatte. Wo war das Spiel „Escape from R'lyeh“ geblieben? Ich durchsuchte alle Disketten.Von dem Spiel fehlte jede Spur. Ein Blick in den Laufwerkschacht ergab, dass zuletzt das Spiel „Popolous“ im Laufwerk war
Es brauchte zwei weitere Tage mit strenger Ruhe, Tee und Zwieback in denen ich mich soweit erholte, dass ich wieder bei Sinnen war. Als es mir wieder besser ging, war ich verzweifelt und besorgt ob meines schlechten Zustands. War das alles durch meine Psyche ausgelöst? Unbewusst ging ich durch meine Kleidung. In meiner Tasche fand ich die Münze, die mir der alte Schrader mitgegeben hatte. „Also doch nicht!“, dachte ich. „Hurra, ich bin nicht verrückt!“, schoss es mir durch den Sinn und ich fühlte eine kleine Wiedergutmachung und etwas Leben in meinem Körper. Tatsächlich hatte mich die Existenz der Münze vor der totalen geistigen Umnachtung bewahrt, wie es der alte Schrader sagte. Alles war wahr. Die Monstren, der alte Mann, sein fischartiger Geschäftspartner und die grauenvollen Labyrinthe, die mich fast in den Wahnsinn getrieben hatten und die ein gutes Stück meiner Lebensenergie verschlangen. Aber letztendlich musste dann auch der auch der gigantische Schläfer, der in den Tiefen ruhte und bald erwachen würde, wahr sein. Das ist eine grauenvolle Vorstellung, die mich bis heute nicht in Ruhe lässt.
Nachdem ich mich frisch gemacht hatte und die Kleidung wechselte, ging ich mit dem Amiga 500 und allem Zubehör bepackt in die kleine Gasse zurück. Zurück zum alten Schrader, um der Sache auf den Grund zu gehen. Als ich in die Gasse einbog und ein wenig ging, fand ich den Laden. Das Ladenschild leuchtete nicht mehr. Ich rüttelte an der Eingangstür. Sie war verschlossen. Beim Blick durch die Schaufensterscheibe bot sich mir ein merkwürdiges Bild. Alles war leer. Die weiße Raufasertapete war teilweise von der Wand abgerissen. Ein Regal stand schief im Raum. Die leere Auslage im Schaufenster war mit einer dicken Staubschicht bedeckt.Nur das Vieleck aus Glas stand noch da. Der Laden wirkte, als sei er seid langer Zeit verwaist. Unverrichteter Dinge ging ich nach Haus. Mein Leben ist seit dem nicht mehr das selbe. Ich bin zitterig und schwach geworden und ich bin froh, wenn die Tage kurz und die Nächte lang sind. Meine Persönlichkeit hat sich verändert. Manchmal, wenn ich Fernsehen schaue und die Nachrichten laufen, überkommt mich eine Wut, ein Zorn, der sich nicht rational erklären lässt und es entfährt mir, als ob ein anderer durch meinen Mund spräche: „Das ist nicht die Realität!“. Und wenn ich nächtens träume und meine Wohnzimmertür im Wind schlägt, bange ich und hoffe andererseits, dass ich in R'lyeh aufwache. Denn mit der Zeit wird mir immer mehr bewusst, dass ich jener fernen Welt näher bin, als dieser doch so normalen Realität.
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Mein Bericht war tatsächlich auf der Diskette gespeichert, die ich nach meinem Aufwachen in der Hand hielt. Ich ergänzte diesen nun um den Nachtrag. Seitdem werde ich nicht müde, mein Wissen mit anderen zu teilen. Sie zu warnen und meine Erfahrungen an Forscher des Paranormalen weiterzugeben. Seien Sie auf der Hut, denn es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.
L.
So endete der Bericht meines anonymen Zeugen. Machen sie sich selbst ein Bild. Überprüfen Sie Ihr Weltbild und vergessen sie nicht: Klicken sie niemals auf Ja, wenn es eine Option gibt, Nein zu wählen.
Hochachtungsvoll,
Otto Hazred
~
Eine fantastische Geschichte von Lars Georg Otto Brämer
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